IG-Metall-Bildungsstätte zeigt Stahlskulpturen und Bilder von Hans Achim Wagner.
Am Ende des überdachten Eingangs zur IG-Metall-Bildungsstätte werden die Besucher von der groß dimensionierten Stahlskulptur »Dialog« in Empfang genommen. Nebenan stapft der »Traumvogel« durch das Schilfrohr am Rande des Teichs. Auf dem Weg zum Fahrstuhl hängen Holzschnitte und Handzeichnungen. Der Lichthof im Obergeschoss des Gebäudes und die darüber liegende Galerie sind Hauptschauplatz der Ausstellung »Eigenartig - eisenartig« mit 67 Figuren und Bildern des Gelsenkirchener Künstlers Hans Achim Wagner, die am Montagabend eröffnet wurde.
Mit Holz- und Linolschnitten hat Hans Achim Wagner in den 70er Jahren begonnen. Damals baute er für seine Frau eine Radierpresse und bekam selbst Spaß am Drucken. »Da kam die Kunst in mein Leben«, erzählte Wagner zur Ausstellungseröffnung im Lichthof der Lohrer Bildungsstätte. 1982 erschloss sich der Künstler den Werkstoff Stahl. Das hat mit seinem Beruf zu tun. Der 44-jährige Gelsenkirchener ist Kranschlosser im Schalker Verein, einem Betrieb der Thyssen Guss AG. Künstlerisch, sagt Wagner heute, ist Eisen für ihn »das Ding«. Zudem hat er einen »verständnisvollen Werkleiter«. Nach der Arbeit widmet sich der Künstler vor Ort im Betrieb seinen Stahlskulpturen. Ein eigenes Atelier braucht er nicht.
Im Gelsenkirchener Gysenbergpark steht seit 1988 seine »Aufruhrplastik«, die aus Protest gegen die geplante Stilllegung des Krupp-Stahlwerks in Rheinhausen entstanden ist. Vor der IG-Metall-Bezirksleitung in Dortmund soll die Skulptur »Eisenherz« an die stählerne Vergangenheit der Region erinnern.
»Kunst von unten«
Hans Achim Wagner mache als Autodidakt »Kunst von unten«, meinte der Frankfurter Künstlerkollege Rolf Winckler am Montagabend. Die Stahlarbeiten seien »facettenreich« und stilistisch vielfältig. Als traditionell bezeichnete Winckler die ausgestellten Holzschnitte in der Nachfolge des belgischen Grafikers Frans Masereel. Die Technik sei wunderbar, so Winckler, der die ausgestellten Arbeiten selbst erst am Eröffnungstag kennengelernt hat.
Wagners Holzschnitte wie »35-Stunden-Woche« und »Traum vom 1. Mai« kreisen um betriebliche und gewerkschaftliche Themen. Beim Schalker Verein ist der Künstler seit 1975 als Betriebsrat aktiv. Daneben hat sich Wagner mit Buchillustrationen beschäftigt. Unter den Handzeichnungen dominieren Tierstudien. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen aber die Stahlplastiken.
Der 44-jährige setzt verschiedene Bearbeitungstechniken ein. Die eher kleinen Gussobjekte sind überwiegend realistisch gehalten (»Schaukelnde«, »Dicke Frau mit Walkman«). Zierlich und bunt lackiert kommt die aus Stahlrohren zusammengesetzte Figur »Frau Kunterbunt mit Hund« daher. An kubistische Vorbilder erinnert die Stahlskulptur »Frau Laute«. Daneben gibt es verfremdete Objekte wie »Reißverschluss« oder »Nasenmann« und Symbolträchtiges. An Messingstäben hängt ein menschlicher Körper: »Säulen der Gesellschaft.« »Als Künstler bin ich ein Anarchist«, verriet Wagner. Alles, was mit Lust gemacht werde, sei für ihn Kunst. Als »Mysterium« wollte er seine Arbeit nicht verstanden wissen.
»Das Material hat mit uns zu tun«, sagte IG-Metall-Bildungsstättenleiter Gerd Hof unter Bezugnahme auf den Werkstoff Stahl. Die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur im Rahmen der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit sei wichtig. Geplant ist, so Hof, dass die eine oder andere Stahlplastik von der Bildungsstätte erworben wird. Im Gespräch sind der »Dialog« am Eingang und der »Traumvogel« am Rand des Teichs. Der stählerne Vogel, erzählte Hof, bekomme schon mal Besuch von einem Graureiher.
Die Ausstellung in der IG-Metall-Bildungsstätte dauert bis zum 20. Dezember und kann werktags nach Terminabsprache (Tel.: 09352/506108) besichtigt werden.
Quelle: Lohrer Echo, Mittwoch, 04. September 1996
Ulf Kampfmeier